Institut für Sportwissenschaft
Universität Tübingen
Hochschulsport
Zwei Berichte aus dem Reutlinger Generalanzeiger:
T ü b i n g e n. (mig) »Das ist hier wie ein Volksfest.« So wie die Sportfreunde aus Dußlingen sehen es auch die anderen Mannschaften, die zum neunten 100-KilometerStaffellauf um den Pokal der Universität Tübingen gekommen sind. Und die lockere Atmosphäre ist wohl auch der Grund für die Attraktivität des Laufs. Denn als pünktlich um 16 Uhr der Startschuß fällt, machen sich bei herrlichem Sommerwetter insgesamt 85 Teams auf den Weg - so viele wie nie zuvor. (Vergl. Artikel » « auf dieser Seite).
Bereits vor dem Start herrscht gute Laune bei den Mannschaften. Viele haben ihr eigenes Zelt inklusive Bierbänke mitgebracht und relaxen erst einmal in der Sonne. Auch das Aufwärmprogramm mit Musik läßt kaum einen Gedanken an die bevorstehenden Strapazen aufkommen.
Nur kurz vor dem Start macht sich etwas Nervosität breit. »Mir ist schon etwas schlecht«, verrät Petra von den »Zappelzehen«. Doch als es schließlich losgeht, zappeln die Zehen ganz ordentlich, ein Mittelfeldplatz scheint zumindest sicher. Jeweils paarweise starten die Mannschaften in den 1 000 Meter langen Runden neben dem Sportinstitut. Insgesamt 50 Runden müssen so zurückgelegt werden, wobei die zehn Team-Mitglieder beliebig kombinierbar sind. Für die meisten ist das Prozedere ohnehin ein alter Hut, denn sie sind schon Jahre dabei, wie beispielsweise die IGL Reutlingen. Ihre Taktik in diesem Jahr, um an die gute Vorjahresplazierung anzuknüpfen? »Unser Markenzeichen ist der Igel, und der hat sich noch immer etwas einfallen lassen«, gibt sich Peter Stary selbstbewußt.
Während die Teams sich Kilometer um Kilometer dem Ziel nähern, versucht Stamm-Moderator Gerd Hänsel wenigstens einige der geheimnisvollen Namen aufzuklären. Hinter »Petris Jünger« verbergen sich also keine Angelfans, sondern Studierende, die zu Ehren ihres Wohnheimhausmeisters laufen. Und die »Giftmischer« entpuppen sich plötzlich als harmlose Chemiker.
Das Rennen machen am Ende, wie schon im letzten Jahr, die Läufer der LAV Tübingen. Sie benötigen für die 100 Kilometer 3:05,50 Stunden. Auf den zweiten Platz schiebt sich die LG Lichtenbol (3:07,22) vor dem VfL Kirchheim (3:09,16). Nur zwei der 85 gestarteten Mannschaften bleiben unter dem Zeitlimit von vier Stunden und 25 Minuten.
Für den reibungslosen Ablauf beim Tübinger Staffellauf sorgen jedes Jahr rund hundert Helfer. Denn organisiert werden muß nicht nur der Lauf selbst, sondern auch das umfangreiche Rahmenprogramm. Von der Verpflegung der Läufer mit 2 500 Liter Getränke über die Massage strapazierter Muskeln bis hin zum Fanprogramm für Kinder - die Teilnehmer sind bestens betreut.
Zum ersten Mal mußten in diesem Jahr Mannschaften nach Hause geschickt werden, die sich zu spät gemeldet hatten. »Mit 85 gestarteten Mannschaften sind wir am absoluten Limit«, erklärt Mitorganisator Michael Belz. Mehr verkrafte die Laufstrecke nicht.
Von Ewald Walker
Tübingen/Reutlingen. (GEA) Ewald Walker, Lehrer. am Bildungszentrum Nord (BZN) in Rommelsbach, drehte mit Schülern, Kollegen und Eltern seine Runden beim Lauffest in Tübingen. Wieder zu Atem gekommen, berichtet er für den GEA:
Der Frosch auf dem Schreibtisch des Schulleiters machte bis dato einen schlaffen Eindruck, weil dem Maskottchen unserer »Schule im Grünen « etwas die Luft ausgegangen war. Als »laufende Frösche vom BZN« gilt es für uns zu beweisen, daß wenigstens wir noch genug »Puste« besitzen. Rein in die Laufschuhe und raus auf die Laufbahn für die »100 Kilometer von Tübingen«i heißt es deshalb, übrigens schon zum siebten Mal. Die Motivation am Start für die zehn Ein-Kilometer-Runden in Paarform gelaufen, ist genauso groß wie die Hektik unter den 880 Läuferinnen und Läufern.
»Ihr seid dran«, holt uns ein Schrei aus der Mannschaft rasch aus der Nervosität direkt auf die Laufstrecke. Von nun an gibt es kein Entrinnen: Überholen und überholt werden heißt das Motto. Von der Rindenschrotbahn geht's im Nadelöhr aufs Brückle überm Goldersbach, am Teich vorbei auf die 400 Meter lange Kunststoffbahn des Stadions, zurück ins Laufdrom auf die Finnenbahn, und schon sind wir wieder in der Wechselzone.
Kärtchen einwerfen als Beleg für zwei gelaufene Kilometer der »Frösche«. Tief durchatmen und gleich durch zum Verpflegungsstand: Trinken, ein Stück Banane, zurück ins Läuferlager, eine gute Viertelstunde Pause.
Wir sind in der dritten Runde, kaum überschaubar die noch zu laufende Strecke von 80 Kilometern. Aber jetzt sind wir eingelaufen und richtig flott unterwegs. Und dennoch: »Platz machen«, schreit einer mit hämmernder Stimme hinter uns auf dem »Brückle«. -Der hat wohl den Sinn dieser Veranstaltung nicht verstanden, signalisieren wir kopfschüttelnd und machen Platz. Die letzten 100 Meter in die Wechselzone hinein, Kärtchen abgeben, Abschlagen, rechts raus und: ab zur Massage. »Nur die Waden?«, fragt der junge Herr und ölt seine Hände. »Die ganzen Beine bitte«, bekommt er als Antwort. Unter dem Pavillon auf der Massagebank: Die Seele kann baumeln, die Muskeln werden wieder weich - Entspannung, pur. Doch nur für wenige Minuten, denn mein Partner wartet schon in der Wechselzone, für die Oberschenkel vorne hat's nun doch nicht mehr gereicht. Dafür läßt sich's nun entspannter laufen, mindestens für eine Runde.
In der nächsten Pause ein Gang übers Gelände. Lagerleben überall: Die einen versinken für wenige Minuten in den Klappstuhl, wollen abschalten, andere bringen mit Elektrolytgetränken ihren Salz- und Wasserhaushalt wieder ins Lot. Hier stillt gerade eine Mutter ihren Nachwuchs zwischen zwei Laufeinsätzen, dort stecken mehrere Köpfe über einer Liste zusammen (»Wieviel Kilometer sind wir gelaufen? Sollen wir die Partner wechseln? Wer ist mit wem dran?«). A propos »dran«: hätte ich doch fast meinen Einsatz verpaßt. Achte Runde. Jetzt tut's schon ein bißchen weh. Nicht die gelaufene Sechseinhalb-Kilometer-Distanz ist das Problem, als vielmehr die Salami-Taktik, in der sie gelaufen wird. Gerade als wir den roten Kunststoff verlassen, brandet drüben im Zielbereich großer Jubel auf. Der Ansage entnehmen wir, daß das erste Team die 100 Kilometer zurückgelegt hat. Dies macht Beine, denn wir Frösche haben fast noch zwanzig Kilometer zu laufen - von 'Tübingen bis Honau etwa. Die Anfeuerung unserer pausierenden Frösche mittels Welle (»La Ola«) gibt uns auf den letzten Metern noch einen kräftigen Schub.
Der Rest ist fast ein Genuß. Die Teams kommen nacheinander ins Ziel, erhalten allseits großen Applaus, auch für die Frösche, die als 41. Team ins Ziel einlaufen. Wir stehen bereit für die letzten 100 Meter. Aus den fünf Paaren wird nach 99,9 Kilometer wieder eine Mannschaft aus zehn laufenden Fröschen. Teamgeist gegen Egoismus, das ist vielleicht das Erfolgsgeheimnis des 100-Kilometer-Staffellaufs von Tübingen. Eine einzigartige Veranstaltung in der Laufszene. Übrigens: Mein Laufpartner Daniel, elf Jahre alt, zeigt sich bei der Siegerehrung trotz müden Gesichts und schwerer Beine hochmotiviert für künftige Einsätze: »Ich brauche jetzt neue Laufschuhe«. Der Frosch in unserer Schule wird in den nächsten Tagen frisch aufgeblasen, damit der schlappe Eindruck endlich verschwindet!